Formative Assessment: Bewerten um des Lernens Willen (2024)

Kurz & Knapp:

  • Formative Assessment (FA) bedeutet zielgerichtete, kriteriengeleitete individuelle Beurteilung, die von den Lernenden für den weiteren Lernprozess genutzt wird.


  • FA hat Auswirkungen auf die Form der Leistungsbewertung, die Feedbackkultur, die Lehrerrolle und individualisiertes Lernen.


  • Lehrende sollten in Zukunft vielmehr als Begleiter und Coach gesehen werden und sich von der Vorstellung verabschieden, dass Lernerfolg im Gleichschritt stattfindet.


Gesellschaftliche Entwicklung

Unsere Schülerinnen und Schüler wachsen in einer Gesellschaft auf, die zunehmend durch allgegenwärtige Bewertung gekennzeichnet ist. Diese kommt oft in einfachen Formen daher, etwa mit Sternchen, Likes und Followern in den Sozialen Netzwerken, Skalen von 1 bis 6 oder 10 oder ähnlichem. "Ratings und Rankings, Scorings und Screenings trainieren uns Wahrnehmungs-, Denk- und Beurteilungsschemata an, die sich zunehmend an Daten und Indikatoriken ausrichten."

In vielen Bereichen (Gesundheitswesen, Wissenschaft, Tourismus, Partnersuche, Arbeitsleistung, Wirtschaft etc.) formiert sich eine Bewertungsgesellschaft, die naturgemäß am schnellsten bei der aufnahme- und entwicklungsbereitesten Gruppe ankommt: den Jugendlichen. Die von ihnen überproportional genutzten Sozialen Medien seien "Pionierorte der Durchsetzung und Verbreitung quantifizierender Bewertungsformen"

Es besteht die Gefahr, dass junge Menschen zu sehr nach Likes, Shares und Followern streben und ihre Lebenszufriedenheit danach ausrichten. Die Schule sollte ihren Beitrag dazu leisten, die Mündigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler gegenüber diesen gesellschaftlichen Tendenzen zu befördern. Denn "Filtern und Bedeutungszuweisung"

werden in der Bewertungsgesellschaft zu Alltagsanforderungen an alle und sind nicht den jeweiligen Spezialistinnen und Spezialisten vorbehalten. In diesem Kontext muss die Schule, die traditionell im gesellschaftlichen Code der Selektion funktioniert

, also über das Aufrücken in die nächste Klassenstufe, das Erreichen von Abschlüssen und den möglichen Platz in der Gesellschaft entscheidet, auch dafür sorgen, die Schülerinnen Schüler mit Fähigkeiten zur Reflexion, Beurteilung und Selbstbewertung auszustatten. Die traditionelle Form der Leistungsbewertung und ihre gesellschaftliche Selektionsfunktion, an die administrativ nach wie vor inbrünstig geglaubt wird, unterliegen einer großen Fehleranfälligkeit. Man halte sich hier die einschlägigen Fehlerarten der hergebrachten Leistungsbewertung (also des Summative Assessment) vor Augen: Halo-Effekt, Tendenz zur Mitte, Reihungsfehler oder Pygmalion-Effekt – um nur einige zu nennen.

Fehlerarten im Überblick

Halo-Effekt: Beim Halo-Effekt überstrahlt ein globaler Eindruck oder ein besonderes Merkmal (positiv oder negativ) die Wahrnehmung anderer Merkmale, die meist nicht direkt beobachtbar sind. Beispiel: Höflichkeit = Annahme hoher Leistungsfähigkeit. (Vgl. dazu Ready, D. D. & Wright, D. L. (2011): Accuracy and inaccuracy in teachers’ perceptions of young children’s cognitive abilities: The role of child background and classroom context. American Journal of Education Research (48), S. 335-360.)

Tendenz zur Mitte: Dieser Beurteilungsfehler kann dazu führen, dass sich eine überproportional hohe Anzahl von Ergebnissen im mittleren Leistungssegment wiederfindet, weil die beurteilende Lehrkraft – bewusst oder unbewusst – von der sogenannten "Glockenform" oder Gauß-Verteilung als der korrekten Form der Notenverteilung ausgeht.

Reihungsfehler: In vielen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Reihenfolge korrigierter Arbeiten erheblichen Einfluss auf den Notenwert hat. In mündlichen Prüfungen wird beispielsweise ein leistungsschwacher Kandidat noch schlechter beurteilt, wenn er einem sehr guten Kandidaten folgt – und umgekehrt. Dieser Beurteilungsfehler wurde auch intensiv bei schriftlichen Arbeiten erforscht.

Pygmalion-Effekt: In Studien wurde wiederholt nachgewiesen, dass die Lehrererwartung die tatsächliche Schülerleistung derart stark beeinflusst, dass sie nach einiger Zeit tatsächlich so ausfällt wie erwartet – auch wenn die Erwartungen völlig unangemessen waren und auf falschen Annahmen beruhten.

Wie kann nun Schule auf die gesellschaftliche Relevanz von selbst- und fremdbestimmter Bewertung und die hohe Fehleranfälligkeit von traditioneller Bewertung reagieren? Eine Möglichkeit hierfür ist Formative Assessem*nt (FA). In der internationalen Bildungsdiskussion ist dieser Begriff in aller Munde. Vielfach unterscheiden sich jedoch die damit verbundenen Vorstellungen, wodurch Verwirrung und Beliebigkeit entsteht. Ich werde zunächst darlegen, was FA von der gängigen, administrativ normierten Form der Leistungsbewertung (Summative Assessment) unterscheidet, bevor ich vier Felder beleuchte, die unmittelbar mit der Idee des FA verbunden sind: Feedbackkultur, die veränderte Lehrerrolle, individualisiertes Lernen und die veränderte Leistungsbewertung.

Begriffsklärung und Wirkungsdimensionen

FA ist die zielgerichtete, kriteriengeleitete individuelle Beurteilung, die von den Lernenden (und von der Lehrkraft) für den weiteren eigenen Lernprozess genutzt wird. Im Gegensatz zu Summative Assessment findet FA während des Lernprozesses und nicht an dessen Ende statt. Der Sinn von FA ist also nicht die möglichst objektive Erhebung eines Leistungsstandes im Vergleich zu einem Bewertungsmaßstab (Sachnorm) oder zur Lerngruppe (Sozialnorm), sondern die am Lernfortschritt orientierte Rückmeldung an den einzelnen Lerner, der damit die Reflektion und den Fortschritt des eigenen Lernens vorantreibt. Im Englischen definiert man diese Unterscheidung auch als "assessment FOR learning" statt "assessment OF learning"

. In Anlehnung an Dylan Wiliam, einer der theoretischen Begründer des FA, lässt sich das Bewertungsprinzip in drei Dimensionen beschreiben (vgl. Abb. 1):

  1. Feed-Up (Zieldimension): Das Ziel des Lernprozesses muss der Lerngruppe und jedem einzelnen Lerner klar sein und muss zudem sinnvoll, relevant und herausfordernd erscheinen. Diesen Anspruch für jeden Lerner aufrechtzuhalten fordert bereits hohes didaktisches Vermögen. Im Externer Link: Mathematiika-Projekt der Voltaireschule Potsdam gibt es deswegen zum Beispiel einen freiwilligen, unbenoteten Eingangstest vor jedem inhaltlichen Abschnitt, der den Schülerinnen und Schülern die Lernziele direkt vermittelt.

  2. Feed-Back (Diagnosedimension): Auf dieser Ebene geht es unter Berücksichtigung der Erfolgskriterien für Feedback (siehe unten) und darum, jedem einzelnen Lerner zu verdeutlichen, wo sie oder er in Relation zum Lernziel (Feed-Up) gerade steht (methodische Beispiele: siehe unten).

  3. Feed-Forward: Was braucht der individuelle Lerner, um in Richtung des Lernziels weiterzuarbeiten oder weiterzudenken? Möglich sind etwa individuelle Aufkleber an schriftlichen Arbeiten, die den Schülerinnen und Schülern Folgeaufgaben zuweisen, mit denen sie ihr Arbeitsergebnis verbessern können . Dieser Punkt macht den Unterschied zum Summative Assessment aus und verdeutlicht, dass es schwierig ist, FA mit einer Note zu kombinieren, da damit die Motivation zur Weiterarbeit sinkt. Die Kultur der Überarbeitung führt bei FA-orientiertem Unterricht dazu, dass die Schülerinnen und Schüler an einer insgesamt geringeren Anzahl von Aufgaben dafür jedoch intensiver arbeiten. Konkret kann das im Deutschunterricht bedeuten, dass die Schüler weniger Texte produzieren, die dann jedoch am Ende hochwertiger geschrieben sind.

Auf den Ebenen des Feed-Back und Feed-Forward kann die gesamte Lerngruppe als gegenseitige Ressource aktiviert werden. Das Ziel ist es, dem einzelnen Lerner die Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übertragen. So kann er diesen selbst reflektieren und steuern.

Funktionen von Formative Assessment

FA verfolgt verschiedene Zwecke: Es erzeugt und benutzt Informationen, um den Lernprozess zu justieren und in die richtige Richtung zu lenken. Zur Verdeutlichung benutze ich ein Bild aus der Raumfahrt: So wie Apollo 11 regelmäßig kleine Kurskorrekturen von der Bodenstation bekam, um am Ende genau an der geplanten Stelle auf dem Mond zu landen, versorgt FA die Lernendem mit Feedback, um den eigenen Lernweg erfolgreich zum Ziel zu bringen. Noch erfolgreicher wird es, wenn die Apollo-Besatzung (der Lerner/die Lernerin) selbst Kurskorrekturen und nächste Schritte unternimmt. So besteht eine weitere Funktion darin, den Fokus weg von extrinsisch motivierenden Noten und hin zum selbst verantworteten Lernprozess zu lenken. Dazu benötigen die Schülerinnen und Schüler metakognitive Strategien, das heißt sie sollen ihren eigenen Lernprozess bewerten, steuern und vorantreiben. Der bereits zitierte Dylan Wiliam hat inzwischen Abstand von seinem eigenen Begriff genommen. "Responsive teaching" (anpassungsfähiges Unterrichten) sei eigentlich der treffendere Ausdruck, da "assessment" zu sehr nach Leistungsbewertung klingt und fehlinterpretiert wurde.

Feedbackkultur und -indikatoren

Feedback ist ein wesentlicher Bestandteil von FA. Eine etablierte, konstruktive Rückmeldekultur ist eine der Voraussetzungen für erfolgreiches FA. Folgende Indikatoren machen ein effektives Feedback aus:

  • schülergemäße Kriterien und Ausdrucksformen

  • konkrete Beobachtungen

  • angemessener Umfang

  • passender Zeitpunkt

  • zeitnahe Auswertung

  • erkennbare Konsequenzen in Form von Hinweisen zur Weiterarbeit bzw. Veränderungen des Lernsettings

  • Klarheit über Absender und Adressat (Wer gibt wem wann und mit welcher Absicht Feedback?)

Angesichts der Bedeutung von Feedback im Allgemeinen ist es ratsam, die Vorgehensweise mit Schülerinnen und Schülern intensiv zu üben (Feedback zum Feedback). Das Feedbackgeben sowie der Umgang und die Weiterverarbeitung mit Feedback kann auch zum Gegenstand von Leistungsbewertung gemacht werden. In dem Videobeispiel von "Externer Link: Austin’s butterfly", wird deutlich, dass Feedback nicht nur den Lernenden nutzen kann, sondern – falls es im Sinne von Susan Brookhart

zielführend und effektiv eingesetzt wird – auch für die Mitschülerinnen und Mitschüler als Feedbackgeber enormes Lernpotential hat. Die Mechanismen, die in dem Film anhand von Grundschülerinnen und -schülern gezeigt werden, sind auf sämtliche Altersgruppen übertragbar.

Veränderte Lehrerrolle

Das Gelingen von FA ist an eine Lehrerrolle geknüpft, die die Lehrkraft als Begleiter, Coach und "Ermöglicher" (Enabler) und nicht nur als Instrukteur, Wissensvermittler und Darsteller sieht. Im Mittelpunkt der Unterrichtsplanungen muss das Lernen der einzelnen Schülerinnen und Schüler stehen und nicht der Ablauf eines lehrerzentrierten Lehr-Prozesses. Das bedeutet für den Unterrichtenden auch einen Abschied von der Vorstellung eines Fortschritts im Gleichschritt sowie einen Hierarchieabbau durch den Einbezug aller Schülerinnen und Schüler als Feedback-Instanzen und die Verantwortungsübertragung für den Lernprozess an den einzelnen Lernenden. Dazu gehört auch eine produktive Fehlerkultur

, denn Fehler sollten nicht nur toleriert werden, sondern können, wenn sie sinnvoll provoziert und reflektiert werden, dass Lernen sogar beschleunigen.

Individuelles Lernen

Den Ansprüchen an individuelles Lernen trägt das Konzept des FA Rechnung, indem bei gleichem Lernziel jede Schülerin und jeder Schüler (wenn auch nur für eine gewisse Zeit) einen individuellen Lernweg auf der Grundlage personalisierter Rückmeldungen nimmt. Hierbei können sich die Lernwege bei mehreren Lernenden gleichen. Die Wahrnehmung des einzelnen Lernenden ist jedoch davon geprägt, dass er seinen Weg zum Lernerfolg individuell nimmt, wodurch Akzeptanz und Motivation gesteigert werden. Individuelle Förderung findet zum Beispiel durch Audio- oder Video-Feedback statt, das durch die aktuellen technischen Möglichkeiten unkompliziert zu realisieren ist. Das Externer Link: Beispiel eines australischen Kollegen veranschaulicht dies. Neben den individuell passenden Feedbackinformationen motiviert diese Form auch nach meinen Erfahrungen durch die individuelle Koppelung mit Stimme und/oder Video stark zur Weiterarbeit. Der korrigierende Lehrer konzentriert sich dabei auf Schwerpunkte und gibt dort differenziertere Rückmeldungen, als in der üblichen Form der kurzen Randnotiz.

Veränderte Leistungsbewertung und "Individualnorm"

FA passt nahtlos zu den aktuell diskutierten Ideen zu veränderter Leistungsbewertung, deren Hauptaugenmerk weniger auf der abrechenbaren, vergleichbaren Leistungsermittlung als vielmehr auf der motivierenden, individuellen Leistungsentfaltung liegt. Deutschlandweit wird derzeit in Schulversuchen erprobt, ob sich etwa ein individuell wählbarer Zeitpunkt und/oder die wählbare Form der Leistungsbewertung positiv auf das Lernverhalten auswirkt. Mögliche oder verpflichtende Überarbeitungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Tendenz zur verstärkten Einforderung komplexerer Leistungen im sogenannten Anforderungsbereich III (AFB III

). Das Erbringen von Reproduktionsleistungen (das heißt AFB I: das Lernen von Grundkenntnissen) erfordert kein FA, sondern kann über herkömmliche Verfahren der Leistungsfeststellung sinnvoll beurteilt werden.

FA kann außerdem dazu beitragen, dass die Dominanz der Sozialnorm, also die Bewertung einer Leistung im Vergleich mit der restlichen Lerngruppe, abgebaut wird. Das Bundesland Brandenburg weist in seinem Schulgesetz als Besonderheit ausdrücklich die Individualnorm (neben Sozial- und Sachnorm) als bestimmend für die "Grundsätze der Leistungsbewertung"

aus. Hier soll folglich die Lernentwicklung der Schülerin oder des Schülers berücksichtigt werden: eine gesetzliche Legitimation für FA.

Methodische Beispiele

Mit der Anwendung Externer Link: Formative können Lehrkräfte vorab Aufgaben in sehr unterschiedlicher Form (Multiple Choice, Texte eingeben, Materialien wie Bilder und Videos bearbeiten, richtige Reihenfolgen herstellen, Sprachaufnahmen im Fremdsprachenunterricht etc.) erstellen, die von den Schülerinnen und Schülern individuell digital bearbeitet werden. Das Besondere: Der Lehrer sieht live im Arbeitsprozess die entstehenden individuellen Ergebnisse und kann digital (visuell oder mit einem Textkommentar) Rückmeldungen und Hinweise zur Weiterarbeit geben. Ähnlich verhält es sich mit kollaborativen Textprogrammen wie Etherpads

oder Angebote von kommerziellen Anbietern wie GoogleDocs. Hier können die Schülerinnen und Schüler von verschiedenen Geräten gemeinsam Texte oder Präsentationen erstellen und die Lehrkraft kann im Prozess Rückmeldungen geben, die die Weiterarbeit oder Korrektur erleichtern. Auch untereinander können sich die Schülerinnen und Schüler Feedback einholen. Die digitalen Varianten bergen für die Arbeitseffizienz einige Vorteile gegenüber analogen Verfahren wie etwa dem Anheften von Post-Its an Texte oder andere Produkte zur Überarbeitung. Die aus Großbritannien stammende Idee der Yellow Box ("Gelbe Kiste") sorgt für eine Dynamisierung im Umgang mit Korrekturen von schriftlichen Arbeiten. Mit gelbem Textmarker wird ein Bereich der Arbeit markiert, der überarbeitet werden soll beziehungsweise in eine Yellow Box unter der Arbeit wird eine besonders relevante Überarbeitungsaufgabe formuliert. Das Korrigieren wird effektiver, weil nicht die gesamte Arbeit ausführlich kommentiert wird, sondern ein spezifischer Aspekt fokussiert wird, an dem anschließend konkret weitergearbeitet wird. Für die Notenbewertung werden alle Fehler berücksichtigt, aber das zeitaufwändige Kommentieren beschränkt sich auf einen besonders relevanten Bereich, der dann auch überarbeitet wird.

Das herkömmliche Korrigieren schriftlicher Arbeiten lässt sich mit einem FA-Element anreichern, indem die Lehrkraft bei Fehlerschwerpunkten eine Zahl oder einen QR-Code an den Rand schreibt oder klebt. Die Schülerinnen und Schüler scannen den QR-Code oder finden ihre Zahl auf einer vorbereiteten Internet-Seite, um dort gezielt eine Online-Übung durchzuführen, etwa auf eine Übung zu "dass/das", einen der häufigsten Rechtschreibfehler

. Spielerische Formen von Quiz-Apps wie Kahoot! (kostenfrei), Socrative (kostenfreie Basisfunktionen)

können von den Lehrenden dazu genutzt werden, Informationen über den Lernfortschritt einzelner zu gewinnen, um so die weiteren Lernwege anzupassen.

Doch FA muss nicht zwangsläufig digital umgesetzt werden, wie das folgende nicht-digitale Lernsetting zeigt: Zunächst stellt die Lehrperson ein neues Thema in einem Vortrag vor. Anschließend ermitteln alle Lernenden ihr Leistungsvermögen zu dem Thema in einem unbenoteten Test (Diagnose). Mit ihrem Testergebnis wählen die Lernenden ihre passende Übungsstation. In den Fremdsprachen kann das bei einem Schüler zum Beispiel die Futurbildung sein, bei einem anderen die Verknüpfung von Nebensätzen. Hier sind natürlich auch Varianten möglich: Übungen können alleine, zu zweit oder in Gruppen und in unterschiedlichen Übungsformen durchgeführt werden. Anschließend erfolgt ein zweiter Test, der dem Diagnosetest ähnelt oder gleicht, nun aber mit Notenbewertung verbunden ist. Die Schülerinnen und Schüler ermitteln nun ihren Lernzuwachs und reflektieren die Strategie ihrer Überarbeitung ("Ist es beim nächsten Mal vielleicht doch besser, alleine zu üben?" o.ä.). Die Tests und Übungsverfahren lassen sich nicht-digital durchführen. Der Aufwand für die Lehrkraft sinkt jedoch auch hier, wenn die Tests digital, etwa mit einer Formularabfrage wie GoogleForms durchgeführt wird.

Die Methode "Fault & Fixes" aktiviert Mitschüler zum Feedback innerhalb der Gruppe und zwingt zu Überarbeitungen. Alle Schülerinnen und Schüler erhalten nach der Bearbeitung einer Aufgabe eine Art Musterlösung sowie das Arbeitsergebnis einer Mitschülerin oder eines Mitschülers. In eine Tabelle werden links die "Faults", also Fehler oder nicht gelungene Passagen eingetragen, in der rechten Spalte die jeweiligen "Fixes", also passende Vorschläge der Verbesserung oder Weiterentwicklung. Jede Schülerin und jeder Schüler erhält nun die Tabelle zum eigenen Arbeitsergebnis zurück und entscheidet, an welchen Punkten sie oder er den eigenen Text überarbeitet.

Schwierigkeiten und Realisierung

An mehreren Beispielen konnte deutlich gemacht werden, dass sich FA auch als Ergänzung, beziehungsweise nicht-digital realisieren lässt. Eine Lehrkraft muss also nicht ihre gesamte Herangehensweise ändern, wenn sie diesen Ansatz befürwortet. Folgende Schwierigkeiten sehe ich bei der Umsetzung:

  • Rollenverständnis: Sich von der "Kontrolle" und der Rolle des "Beurteilers" auf den Weg in Richtung der "Begleitung" und Diagnose zu machen, fällt durch subjektiv verankerte Muster schwer.

  • Datenschutz: Regelungen in einzelnen Bundesländern unterscheiden sich, sensibler Umgang mit persönlichen Daten bedeutet auch, sich im Kollegium, mit Eltern und Lernenden über Gefahren und Grenzen zu verständigen. Im Unterricht muss Zeit für die Besprechung von Accounts, Passwörtern etc. einkalkuliert werden.

  • Der Lehrer als Lerner: Als Lehrkraft muss ich Lust dazu haben, die vorgestellten digitalen Wege zu beschreiten, auch auf die Gefahr hin, dass erste Einheiten nie perfekt ablaufen werden. Ein verordneter Einsatz wird nicht erfolgreich.

  • Technische Voraussetzungen: WLAN, Hardware, Externer Link: BYOD – im Netz zwischen rechtlichen Vorgaben, Schuladministration, Situation von Lerngruppe und Elternhäusern und eigenem Einsatz muss die Lehrkraft sinnvolle Aufwand-Nutzen-Entscheidungen treffen.

Trotz dieser Schwierigkeiten möchten ich jedem interessierten Lehrer aufgrund meiner Erfahrungen Mut machen, sich auf den Weg des FA zu begeben – denn der eigene Arbeitsaufwand sinkt und Motivation und Lernerfolg der Schüler steigen, wenn Methoden des FA erst einmal im Klassenraum Fuß gefasst haben.

Literatur

Brookhart, Susan M.: How to Give Effective Feedback to Your Students. 2. Auflage. Alexandria 2017

Dodge, Judith: 25 Quick Formative Assessments for a Differentiated Classroom. Easy, Low-Prep Assessments That Help You Pinpoint Students‘ Needs and Reach All Learners. New York 2017

Fisher, Douglas und Frey, Nancy: The Formative Assessment Action Plan: Practical Steps to More Successful Teaching and Learning. London 2015

Heritage, Margaret: Formative Assessment. Make It Happen in the Classroom. Thousand Oaks 2010

Mau, Steffen: Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen. Berlin 2017

Spendlove, David: Assessment for Learning (100 Ideas for Teachers). London 2015

Stalder, Felix: Kultur der Digitalität. Berlin 2016

Wiliam, Dylan: Embedding Formative Assessment. Practical Techniques for K-12 Classrooms. London 2015

Alle Schüler auf dem Radar – Lernstandbeobachtung und Feedback in Echtzeit

Formative Assessment in der Praxis: Mit der Plattform Formative lassen sich Informationen zum Lernfortschritt in Echtzeit nachvollziehen, sodass Lehrende schneller und gezielter auf die individuellen Bedürfnisse in der Klasse eingehen und effizienter arbeiten können.

Interner Link: Zum Beitrag

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